Meinungsfreiheit gegen Allgemeines Persönlichkeitsrecht!

Haben Sie heute schon geprangert? Nein noch nicht, dann wird es höchste Zeit. Früher geschah dies auf den Marktplätzen der Städte. Dort wurden Bestrafte zum Beispiel an Holzpfosten, an Säulen oder Plattformen (sogenannter Pranger) angekettet und dem Volk zur Schau gestellt. Es ging um Vollstreckung von Strafe. Die Strafe war dabei die öffentliche Vorführung. Der Verurteilte sollte ertragen, vom Volk begafft, geschmäht und im schlimmsten Falle auch mit Gegenständen beworfen zu werden. Ziel war unter anderem, ein „normales“ Weiterleben in der Gemeinschaft unmöglich zu machen oder zumindest zu erschweren. Heute gibt es den Internetpranger. Bezüglich der Idee und der Motivationslage, die dahintersteckt gibt es vage Parallelen und einige Unterschiede zu dem damaligen Marktpranger: Es wird nicht mehr mit Gegenständen geworfen; man muß nicht mehr auf den Markplatz gehen, sondern einfach nur ins Internet; auch ist es der Obrigkeit nicht vorbehalten, sondern jeder kann prangern, zu jeder Zeit und fast überall. Auch hier auf dieser Internetseite im BLOG ist das theoretisch möglich.

Aber worum geht es? In Blogs, Foren und Bewertungsportalen kann heute jeder über jeden fast alles schreiben. Im Grunde ein ideales Marketinginstrument. Wer das früh erkannt hat, hat heute gut gefüllte Blogs. Das gute an der Meinungskundgabe ist, dass fast alles erlaubt ist. Es muß nur beachtet werden, dass die Meinungsfreiheit des Äußernden das Persönlichkeitsrecht des „Angeprangerten“ überwiegt. Im Zweifel lässt sich das beeinflussen, indem man einen Öffentlichkeitsbezug schafft. Denn es gibt heute fast nichts, was nicht wichtig für die Öffentlichkeit ist. Und soweit an der Meinungskundgabe ein öffentliches Interesse besteht, muß das Allgemeine Persönlichkeitsrecht zurücktreten.

Und neuerdings gilt das auch im Arbeitsrecht. So hatte eine Altenpflegerin mehrfach auf mutmaßliche Missstände in einem Altenheim ihres Arbeitgebers aufmerksam gemacht. Dieser reagierte nicht. Daraufhin erstatte die Altenpflegerin Strafanzeige wegen Betrug („whistleblowing“-Strafanzeige). Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein. Der Arbeitgeber kündigte der Altenpflegerin fristlos. Erst vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bekam die Altenpflegerin Recht und die fristlose Kündigung wurde mit Urteil vom 21.07.2011, Beschwerdenr. 28274/08, für rechtswidrig erklärt. Die Richter erklärten, dass die „whistleblowing“-Strafanzeige zwar den Ruf des Arbeitgebers beschädigt habe, weil auch die Öffentlichkeit durch Presseberichterstattungen davon erfahren hatte. Jedoch müsse der Arbeitgeber diesen Eingriff in seine Rechte im Rahmen der Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an den Mängeln im Pflegeheim hinnehmen. Die Strafanzeige sei von der Meinungsfreiheit gedeckt, so dass die fristlose Kündigung rechtswidrig war.

Anders ausgedrückt: Das öffentliche Interesse an Informationen über (mutmaßliche) Mängel in Altenpflegebetrieben ist wichtiger als die Interessen des Unternehmens am Schutz seines Rufes und seiner Geschäftsinteressen. Es kam also auch hier darauf an, ob die Meinung der Altenpflegerin für die Öffentlichkeit von Interesse war.

Haben Sie hierzu eine Meinung. Dann teilen Sie diese hier im BLOG mit. Es wird fast alles veröffentlicht.

 

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Ein Kommentar:

Demokratische Rechte mit Maß und Ziel anzuwenden ist schwierig. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren “Strafanzeige wegen Betrug” sprich: mutmaßliche Missstände in einem Altenheim, ein. Heißt das es war kein Betrug oder heißt das es gab keine Missstände? Das öffentliche Interesse an Informationen über (mutmaßliche) Mängel in Altenpflegebetrieben ist wichtiger als die Interessen des Unternehmens am Schutz seines Rufes. Wenn es diese Mißstände aber nicht gab und sie nur in der Auslegung der Mitarbeiterin existierten, wäre mein Verständnis für eine fristlose Kündigung gross. Wenn ein Externer, zB Verwandter eines Insassen dieses Altenheimes eine solche Aussage macht wäre das im Sinne der freien Meinungsäußerung gedeckt. Richtig: Es geht hier nicht um freie Meinungsäußerung sondern um fristlose Kündigung…